2.4.1 Merkmale guten Unterrichts

2.4.1.1 Kriterien nach Andreas Helmke und Hilbert Meyer

KRITERIEN NACH ANDREAS HELMKE

1.  Strukturiertheit und Klarheit
2.  Effiziente Klassenführung und Zeitnutzung
3.  Lernförderliches Unterrichtsklima
4.  Ziel- und Kompetenzorientierung
5.  Schülerorientierung, Unterstützung
6.  Methodenvariation
7.  Aktivierung: selbstständiges Lernen
8.  Sicherung, intelligentes Üben
9.  Vielfältige Motivierung
10. Passung der heterogenen Lernvorausset­zungen


KRITERIEN NACH HILBERT MEYER

Nach empirischer Unterrichtsforschung kann festgestellt werden, dass die nachfolgenden Merkmale alltäglichen Unterrichts zu dauerhaft hohen kognitiven, methodischen und sozialen Lernerfolgen bei­tragen.    

1.  Klare Strukturierung des Unterrichts
Prozessklarheit, Rollenklarheit, Absprache von Regeln, Ritualen und Freiräume  

2.  Hoher Anteil echter Lernzeit
durch gutes Zeitmanagement, Pünktlichkeit, Auslagerung von Organisationskram  
3.  Lernförderliches Klima   

Durch gegenseitigen Respekt, verlässlich eingehaltene Regeln, Verantwortungsübernahme, Gerech­tigkeit und Fürsorge  

4.  Inhaltliche Klarheit  
durch Verständlichkeit der Aufgabenstellung, Plausibilität des thematischen Gangs, Klarheit und Ver­bindlichkeit der Ergebnissicherung  

5.  Sinn stiftendes Kommunizieren  
durch Planungsbeteiligung, Gesprächskultur, Sinnkonferenzen und Schülerfeedback

6.  Methodenvielfalt  
Reichtum an Inszenierungstechniken; Vielfalt der Handlungsmuster; Variabilität der Verlaufsformen und Ausbalancierung der methodischen Großformen  

7.  Individuelles Fördern  
durch Freiräume, Geduld und Zeit; durch innere Differenzierung; durch individuelle Lernstandsanaly­sen und abgestimmte Förderpläne; besondere Förderung von Schülern aus Risikogruppen  

8.  Intelligentes Üben  
durch Bewusstmachen von Lernstrategien, passgenaue Übungsaufträge und gezielte Hilfestellungen  

9.  Transparente Leistungserwartungen  
durch ein an den Richtlinien oder Bildungsstandards orientiertes, dem Leistungsvermögen der Schüler/innen entsprechendes Lernangebot und zügige Rückmeldungen zum Lernfortschritt  

10. Vorbereitete Umgebung  
durch gute Ordnung, funktionale Einrichtung und brauchbares Lernwerkzeug    

Anmerkungen:
Die Einzelkriterien sind so definiert, dass nicht nur der Lehrer, sondern immer auch die Schüler einen Beitrag dafür leisten können, die den Kriterien korrespondierenden Merkmale im eigenen Unterricht stark zu machen. Der Kriterienmix erfasst keine personalen Voraussetzungen guten Unterrichts, auch wenn sie selbst­verständlich sehr wichtig sind. Deshalb fehlen hier Kriterien wie „Fachkompetenz“, „Lehrerpersön­lichkeit“, „Schülerdisziplin“ oder „Motivation“. Es gibt keine „Effektivitätsautomatik“ einzelner Merkmale. Der eine Lehrer erzielt sehr gute Ergeb­nisse zum Beispiel mit stark ausgeprägten Merkmalen 1, 2 und 4; beim anderen Lehrer sind diese Merkmale nur mittelstark entwickelt, aber er hat dennoch Spitzenleistungen aufgrund stark ausge­prägter anderer Merkmale.   

2.4.1.2 Aussagen anderer Fachleute

Aber auch andere Fachleute haben diese Aussagen belegt oder neue Akzente gesetzt. Hier nur einige Stichpunkte, die die Diskussion in der Fachwissenschaft mitbestimmen:  

Output-Orientierung
Unter Anderem T. Rielke-Baulecke hält fest, dass nicht das Wie des Inputs (Lehrplaninhalte, Methoden, Medien, Sozialformen) erste Prio­rität haben sollen, sondern dass man untersuchen muss, ob der Un­terricht erfolgreich ist, also ob Kompetenzen erworben, intelligent ein­geübt und dauerhaft gesichert wurden.

Binnendifferenzierung
Gerade die jüngere empirisch-didaktische Schule (Mägdefrau, Scheunpflug, Müller, Fuchs) legt Wert auf differenzierte Lehr- und Lernformen. Nur so könne bei der allgemein bewiesenen Heterogeni­tät in den Klassenzimmern erfolgreich gelernt werden.

Selbstwirksames Lernen
Fuchs, Herold und andere sowie die gesamte Neurowissenschaft des Lernens stellen immer wieder klar: Nur wer selbst lernen will, kann etwas lernen. Das heißt für den Unterricht: Die Phasen selbstständi­ges Lernens müssen deutlich erhöht werden.

Klassenführung
Kouni, Dollase, Mägdefrau und andere machen klar, dass eine effek­tive Zeitnutzung im Unterricht, eine konsequente Überwachung und Evaluation der Schüleraktivitäten, also Regelklarheit und Disziplin, unverzichtbare Rahmenbedingungen für erfolgreichen Unterricht sind.

Schülerorientierung
„Wie unterrichten keinen Stoff, wir unterrichten Schüler“. Diese alte Schulmeisterweisheit wird in fast allen empirischen Befunden bestä­tigt, insofern nur das eigene Handeln, Denken und Lernen der Schüler Erfolg verspricht. Dabei ist für die Schülerschaft einer Realschule si­cher richtig, dass Schülerorientierung Ziel sein muss, aber Lehrerprä­gung, Begleitung und Impulsgebung genauso wichtig bleiben: Lehrer­steuerung mit dem Ziel der Schüleraktivierung.

Lerncoaching
Andreas Müller, Hameyer und Pallasch sowie andere fordern einen Paradigmenwechsel im Lehrerverständnis: Der Lehrer ist nicht mehr der Guru, von dessen Lippen die Schüler die Weisheit ablesen und auswendig wiedergeben. Die Schüler gestalten ihre Lernprozesse selbst, der Lehrer begleitet. Er beobachtet und diagnostiziert, gibt An­regungen und Hilfen, bietet individuelle Lernmaterialien an und über­prüft mit dem Lernenden den Fortschritt.

Lernmotor
Scheunpflug und Zeinz haben 2007 ein Modell aufgestellt, das auf der Basis der Ergebnisse neurowissenschaftlicher Forschungen die Ele­mente erfolgreichen Lernens beschrieben (siehe 2.4.1.3)              

2.4.1.3 Lernmotor nach Scheunpflug und Zeinz

Lernmotor nach Scheunpflug und Zeinz

2.4.1.4 Bilder guten Unterrichts (nach Horster)

Wählen Sie drei Bilder, die sie am besten mit gutem Unterricht verknüpfen und tauschen Sie sich mit Ihren Nachbarn aus.     

Sollte guter Unterricht sein wie …?    

das Besteigen eines Berges mit Sicherungsseil  

ein Menü mit verschiedenen Gängen  

ein Kaleidoskop  

eine Reise, auf der man auf verschiedenen Wegen ans Ziel kommt              

ein Orchester  

eine Bühne  

Zauberei  

ein Jahrmarkt              

ein Spiel mit veränderbaren Regeln  

eine prägnante Gebrauchsanweisung in einem komplexen Spiel  

eine Wanderung mit klarem Ziel, aber unbekannten Wegen  

ein Fluss von der Quelle zur Mündung              

ein guter Eintopf  

ein Zirkus  

ein Abenteuerurlaub  

eine Spirale              

ein sich langsam bildendes Netz  

Jonglieren mit verschiedenen Gegenständen  

ein Haus, an dem gemeinsam gebaut wird  

das Aufziehen junger Pflanzen              

ein Chorgesang  

ein großes buntes Puzzle  

eine gemeinsame Entdeckung  

ein Baukasten              

ein Baum: weit verzweigt  

einen Garten pflegen  

eine Jugendgruppe im Klettergarten  

ein Spiel mit Grenzen                   



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