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Maristen-Realschule Cham feierte 70. Geburtstag der Bayerischen Verfassung

Während die Politiker am 1. Dezember 2016 im Münchner Nationaltheater bei einem Festakt die Gründungsväter der Bayerischen Verfassung würdigten, fand in der Maristen-Realschule Cham ebenfalls eine Gedenkfeier statt. Auch die Fachschaften Geschichte und Sozialkunde, voran die Betreuerinnen Christl Hastreiter und Marion Donnerbauer, wollten an den 1.12.1946 erinnern. An diesem Tag hatten 70,6 % der bayerischen Wähler in einem Volkentscheid dem in nur dreieinhalb Monaten ausgearbeiteten Verfassungsentwurf zugestimmt. Damit hat sich das bayerische Volk zum ersten Mal in seiner Geschichte selbst eine Verfassung gegeben und der Freistaat Bayern war wiedergegründet. In diesem Gesetzeswerk wurden nicht nur der Aufbau und die Aufgaben des Staates sowie das Gemeinschaftsleben und die Bereiche Wirtschaft und Arbeit geregelt, sondern auch die Grundrechte und Grundpflichten der Bürger niedergeschrieben. Dies bedeutete, dass die Rechte, die während der NS-Diktatur mit Füßen getreten worden waren, fortan vom Staat geschützt sind und von jedem bayerischen Bürger eingefordert werden können.  
Zu diesem Verfassungstag an der Maristen-Realschule konnte man zwei Politiker als Referenten gewinnen: Dr. Karl Vetter, Landtagsabgeordneter der Freien Wähler, und Stefan Baumgartner, CSU-Bürgermeister der Gemeinde Chamerau. Gemeinsam mit ihnen verbrachten die Schüler der 10. Klassen, die Lehrkräfte und Direktor Josef Maier einen interessanten Schulvormittag. Einen besonders würdigen Rahmen bekam er durch die musikalische Unterhaltung von Andreas Achatz, Klasse 10b, und Michael Müller, Klasse 8a. Beide hatten sich bereit erklärt, auf dem Tenorhorn und der Diatonischen bekannte bayerische Stücke vorzutragen. Ohne die beiden Vollblutmusiker hätten sich die Schüler gegen Ende der Veranstaltung wohl kaum getraut, die zwei Strophen der Bayernhymne zu singen.

Politisches Engagement - ja oder nein?
Besonderen Mut bewiesen Josua Schumann und Yannick Maciejewski aus der Klasse 10a. Sie stimmten mit einem selbst verfassten Rollenspiel auf die Thematik des Tages ein. Soll man sich als Bayer politisch engagieren oder sich lieber dem Bier und anderen Genüssen hingeben? Während Josua das Klischee des bierseligen Bayern in Lederhose bediente, verkörperte Yannick einen Norddeutschen, der den „Urbayer“ davon zu überzeugen versuchte, dass auch er sich für die Politik interessieren sollte. Da ihm dies nicht gelang, wandte er sich an Bürgermeister Stefan Baumgartner und bat ihn, ihn dabei zu unterstützen. Dieser Aufforderung kam der Angesprochene gerne nach.
Im Vorfeld des Verfassungstages hatten Christoph Billmeier, Andreas Bücherl, Simon Killermann und Fabian Kraft, alle aus der Klasse 10a, Interviews durchgeführt. Die Ergebnisse waren recht amüsant. Auf die Frage „Welche drei Sachen fallen Ihnen ein, wenn Sie an Bayern denken?“ wurden am häufigsten das Bier, die Landschaft, das Oktoberfest, „dahoam“, Horst Seehofer, die Weißwurst, die Lederhose und das Dirndl genannt. Mit dem Begriff „Freistaat“ – festgelegt in Artikel 1 der Bayerischen Verfassung – konnten die wenigsten der Befragten etwas anfangen. Nicht viel besser sah es mit dem Artikel 3 aus. Ein Passant auf dem Chamer Marktplatz erwiderte auf die Frage, was in diesem Artikel niedergeschrieben ist: „Freibier für alle“. Richtig wäre gewesen: „Bayern ist ein Rechts-, Kultur- und Sozialstaat.“


Die Aufgaben eines Landtagsabgeordneten
Da die Schüler in die Planung des Verfassungstages eingebunden waren, wussten sie über die Anwesenheit von Dr. Vetter Bescheid. Deswegen wollten sie von den Befragten auch wissen, was ein Landtagsabgeordneter ihrer Meinung nach mache. Die Antworten bei den Interviews waren: „Er sitzt im Bayerischen Landtag, beschließt Gesetze, ist für das Volk da, kassiert Geld und vertritt Bayern.“ Der MdL ging auf jede dieser Antworten ein und meinte mit einem Schmunzeln auf den Lippen, dass diese tatsächlich auch zuträfen.
Auf seine eigene Person eingehend, erläuterte Dr. Vetter den Schülern seinen Werdegang vom Orthopäden zum Mitglied des Landtages. Er habe sich 2008 bereit erklärt, auf der Liste der Freien Wähler zu kandidieren, aber nicht damit gerechnet, tatsächlich gewählt zu werden. Umso überraschter sei er gewesen, dass er auf Anhieb so viele Stimmen bekam. Nach einem Jahr der beruflichen „Doppelbelastung“ habe er beschlossen, sich aus der orthopädischen Praxis zurückzuziehen und sich ganz seinem politischen Mandat zu widmen. Dies habe er bis heute nicht bereut. Er forderte seine Zuhörer auf, sich für das Gemeinwesen einzusetzen. Gerade wenn man mit etwas unzufrieden ist, müsse man den Mut aufbringen, sich zu engagieren – egal, ob in der Schule, im Sportverein oder bei der Feuerwehr. Wenn man nichts tut, dürfe man sich auch nicht beklagen, so sein Credo.


Volksbegehren und Volksentscheid

Nicht nur die Bayerische Verfassung, sondern auch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland legt das Volk als den Träger der Staatsgewalt fest. Doch die bayerischen Wähler haben noch eine weitere Möglichkeit, auf politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Wie dies funktioniert, erklärten Stefan Decker, Michael Mauerer und Marcel Wagner aus der Klasse 10 c anhand des Artikels 74. Dieser regelt die Vorgehensweise bei Volksentscheiden und Volksbegehren. Durch ein Volksbegehren können Gesetzesvorlagen in den Landtag eingebracht werden. Wird dieser angenommen, kommt es zu einem Volksentscheid.
Als Beispiele für die 19 Volksentscheide, die seit 1946 durchgeführt wurden, nannten die Zehntklässler die Abschaffung des Senats, die Schuldenbremse und das Nichtraucherschutzgesetz, das vielen Schülern bekannt sein dürfte. Ein Volksentscheid ist übrigens auch dann notwendig, wenn auf den Beschluss des Landtags hin eine Verfassungsänderung herbeigeführt werden soll. 


Die Selbstverwaltung der Gemeinden
Wie vielfältig die Aufgaben eines Bürgermeisters sind, legt Artikel 83, Absatz 1 der Bayerischen Verfassung fest. Was hier steht, trug Lukas Gmach aus der Klasse 10 b vor: „In den eigenen Wirkungskreis der Gemeinden (Art. 11 Abs. 2) fallen insbesondere die Verwaltung des Gemeindevermögens und der Gemeindebetriebe; der örtliche Verkehr nebst Straßen- und Wegebau; die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Licht, Gas und elektrischer Kraft; Einrichtungen zur Sicherung der Ernährung; Ortsplanung, Wohnungsbau und Wohnungsaufsicht; örtliche Polizei, Feuerschutz; örtliche Kulturpflege; Volks- und Berufsschulwesen und Erwachsenenbildung; Vormundschaftswesen und Wohlfahrtspflege; örtliches Gesundheitswesen; Ehe- und Mütterberatung sowie Säuglingspflege; Schulhygiene und körperliche Ertüchtigung der Jugend; öffentliche Bäder; Totenbestattung; Erhaltung ortsgeschichtlicher Denkmäler und Bauten.“Herr Bürgermeister Stefan Baumgartner brachte es im Rahmen eines äußerst lebhaften Vortrags auf den Punkt: „Von der Feuerwehr bis zum Hundekot, für alles bin ich zuständig.“ Die Begeisterung für sein Amt, das er bereits im Alter von 28 Jahren angetreten hatte, war während des ganzen Vortrages zu spüren. Er wolle kein anderes politisches Mandat haben als das auf kommunaler Ebene, betonte er. Denn hier habe er einen unmittelbaren Kontakt zu seinen Wählern, die in ihm einen ständigen Ansprechpartner sähen.
Bei einer Feier zur Bayerischen Verfassung durften Erklärungen zum Staatswappen nicht fehlen. Dieser Aufgabe nahmen sich Mathias Höpfl, Martin Kerscher und Maximilian Mühldorfer aus der Klasse 10 b an. Sie erläuterten die historische Bedeutung der heraldischen Elemente des großen bayerischen Staatswappens und ordneten sie den Regierungsbezirken zu.
Bevor die Bayernhymne angestimmt wurde, warteten die Schülersprecher Bastian Fischer, Timo Dreher und Stefan Decker mit einer besonderen Überraschung auf. Sie überreichten jedem der beiden Vollblutpolitiker als Dank für ihre engagierte Beteiligung an diesem 70. Geburtstag der Bayerischen Verfassung eine Torte – natürlich mit einem weiß-blauen Rautenmuster und einer brennenden Kerze. 

Text: Christl Hastreiter
Fotos: Josef Kerscher





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