Magazin für Digitalisierung & Schulentwicklung

Ausgabe 1: Künstliche Intelligenz, Peer learning und neue ByCS-Anwendungen an unseren Realschulen

Medienerziehung durch Methoden des Peer-Learnings

In diesem Sommer lag das Buch „Wir verlieren unsere Kinder!“ der Schulleiterin der Waldschule Hatten (Niedersachsen), Silke Müller, auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste. In diesem Buch beschreibt sie aus ihrer Sicht, welche Medieninhalte regelmäßig in der Schule auftreten und wie sie an ihrer Schule damit umgeht. Zunächst überrascht es, dass ein Buch zu schulischer Medienerziehung offenbar ein breites Massenpublikum anspricht. Es zeigt aber auch auf, dass hier nach wie vor Handlungsbedarf besteht.

Im Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen der Realschule habe ich als Berater digitale Bildung jedoch nicht den Eindruck, dass im Bereich Medienerziehung nichts passiert. Eher herrscht das Gefühl vor, dass die Botschaften des Unterrichts zwar die Köpfe der Schülerinnen und Schüler erreichen, diese aber scheinbar nur sehr fragmentiert in ihr alltägliches Handeln einfließen.

Die große Herausforderung scheint folglich nicht darin zu bestehen, den Schülerinnen und Schülern beizubringen, wie sie Geräte nutzen können oder was sie besser nicht machen sollten. Die Herausforderung ist es, Medienerziehung im Sinne einer Werteerziehung so zu gestalten, dass das Augenmerk noch mehr auf einer selbstregulierter Mediennutzung und dem Aufbau von Mediensozialkompetenz liegt, die sich im konkreten Handeln manifestiert.

Der Erwerb von sozialen Kompetenzen bezogen auf sich selbst (Medienselbstkompetenz) und andere (Mediensozialkompetenz) braucht jedoch Vorbilder.

 

Lernen am Modell - Medienbildung durch Peer-to-Peer Projekte

Gerade im Bereich der sozialen Medien können Lehrkräfte dabei nur bedingt in dieser Rolle im Sinne des Lernens am Modell1 erlebt werden. Wie Lehrkräfte sich in Chatgruppen oder auf Social-Media Plattformen verhalten, kann durch Schülerinnen und Schüler nicht nachvollzogen werden. Eine Kompetenzzuschreibung und ein bewusstes Erleben ist in diesem Bereich somit, selbst wenn die Lehrkräfte die entsprechenden Medienangebote aktiv nutzen, nur bedingt möglich.

Da Peer-to-Peer Projekte hier eine sinnvolle Ergänzung der schulischen Medienbildung darstellen, unterstützen wir die Etablierung eines Peer-to-Peer Angebotes zur Medienerziehung an Ihrer Schule. Im zweiten Schulhalbjahr besteht die Möglichkeit, das Projekt „Netzgänger“ im Rahmen einer regionalen Lehrerfortbildung kennenzulernen. Die Einführung des Projektes an Ihrer Schule wird durch die Beratung digitale Bildung kontinuierlich unterstützt und begleitet. Nähere Informationen erhalten die MeKo-Tandems im Rahmen ihrer ersten regionalen Fortbildung.

Neben den Netzgängern existieren zahlreiche weitere Peer-to-Peer Projekte, die ebenfalls die schulische Medienerziehung unterstützen.

Gemein ist all diesen Angeboten, dass in einer ersten Phase Jugendliche als Expertinnen und Experten für einen kleinen, abgegrenzten Themenbereich, der eng mit dem eigenen Handeln im Netz verknüpft ist, ausgebildet werden. Nach einer inhaltlichen Erarbeitung des Themas werden die Schülerinnen und Schüler auf ihre multiplizierende Tätigkeit vorbereitet.

In einer zweiten Phase vermitteln diese Schülerinnen und Schüler die zuvor erworbenen Inhalte, Fähigkeiten und Fertigkeiten als Botschafterinnen und Botschafter ihres Themas in zumeist jüngeren Jahrgangsstufen. Im Bereich der Medienerziehung bietet sich insbesondere der Bereich der verantwortungsvollen privaten Nutzung sozialer Medien als Themenfeld eines solchen Projektes an.

Die erzieherische Wirkung dieser Peer-to-Peer-Projekte zielt dabei gleichermaßen auf die Gruppe der Expertinnen und Experten sowie auf die Gruppe der noch unerfahreneren Schülerinnen und Schüler ab.

Die Interaktion der Expertinnen und Experten mit den jüngeren Mitschülerinnen und Mitschülern bietet dabei beiden Seiten die Möglichkeit, eigene subjektive Lernerfahrungen zu sammeln:

  • Stärkere Wahrnehmung der Selbstwirksamkeit durch die Aufnahme in die Expertengruppe und die damit verbundene Rolle als Vorbild (vgl. Modelllernen nach Bandura 1986).
  • Prinzip des „Lernen durch Lehren“ (Jean-Pol Martin 2000) festigt das Wissen der Expertengruppe . (Eine Studie2 zeigt, dass langfristig auf ihren Einsatz vorbereitete Expertinnen und Experten aus der Schülerschaft auch langfristig ein höheres Wissen, eine höhere Kommunikationssicherheit und eine höhere Anwendung im Privaten, bezogen auf das untersuchte Thema aufwiesen).
  • Lernen am Modell durch die noch unerfahrenen Schülerinnen und Schülern. (Je ähnlicher ein Modell dem Lernenden ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein beobachtetes Verhalten auch übernommen wird.)

Sollten Sie Interesse haben, das Peer-to-Peer Projekt Netzgänger im Rahmen eines Wahlfachs an Ihrer Schule einzuführen, melden Sie sich gerne unter martin.ehmann(at)mb-rs-muc .

Weiterführende Informationen erhalten die MeKo-Tandems im Rahmen der regionalen RLFB am 15.01.2024 - zur FiBS Anmeldung (L)

Martin Ehmann - mBdB (RS) MB Bezirk München

 

1 Vgl. Modelllernen nach Bandura 1986

2Elke Appel: Auswirkungen eines Peer-Education-Programms auf Multiplikatoren und Adressaten - eine Evaluationsstudie 2002 (getestet wurde mit einem Thema aus dem Bereich der Sexualprävention)



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