Zeitgemäßer Unterricht digital

"Wie kann zeitgemäßer mediengestützter Unterricht möglichst effektiv und effizient geplant und gestaltet werden?"

Um dies herauszufinden, befasst sich mit dieser Fragestellung eine Gruppe medienpädagogischer Beratungslehrkräfte aus Oberbayern-Ost und -West in Kooperation mit der LMU München.

Dabei geht es nicht darum, die beste App zu finden, sondern um die Frage, wie man zeitgemäßen Unterricht sinnvoll plant und gestaltet, um Unterrichtsqualität zu verbessern. So entstand in den letzten zwei Jahren eine Sammlung von mediengestützten Unterrichtsstunden für viele Fächer, die erfolgreich in der Praxis erprobt wurden.

Dieses Projekt zeigt evidenzbasiert und umfassend, wie eine digitale Transformation im Unterricht zielführend und nachhaltig gelingen kann. Die Unterrichtsstunden der Kooperation und zusätzliches Informationsmaterial stehen nun für alle Lehrkräfte kostenlos zur Verfügung.

 

ICAP-Modell - Theoretische Grundlagen und Material

Das ICAP-Modell unterteilt schülerseitig beobachtbare Lernaktivitäten, die mit spezifischen kognitiven Lernprozessen zusammenhängen, in vier Qualitätsstufen: passiv[p], aktiv [a], konstruktiv [k] und interaktiv [i]. So ergibt sich im Englischen rückwärts gelesen ICAP.

ICAP-Modell

 

Zu den passiven Lernaktivitäten zählen beispielsweise das Zuhören bei einem Vortrag, das Ansehen eines Videos oder einer animierten Präsentation. (Digitale) Inhalte werden dabei nur präsentiert.

Um aktive Lernaktivitäten handelt es sich dann, wenn zusätzlich zur Präsentation von Inhalten sichtbar z. B. Notizen angefertigt oder Wörter markiert werden. Lerninhalte werden auf dieser Qualitätsstufe jedoch nur reproduziert und organisiert, die Lernaktivitäten gehen jedoch nicht über die im Lernmaterial präsentierten Informationen hinaus.

Dies erfolgt auf der dritten Qualitätsstufe von konstruktiven Lernaktivitäten. Schülerinnen und Schüler arbeiten dann auf der konstruktiven Stufe, wenn sie das Lernmaterial unter Einbezug ihres bereits bestehenden Vorwissens und Informationsstandes bearbeiten und dabei über die darin enthaltenen Informationen hinausgehen. Sie konstruieren beobachtbar mithilfe z. B. von Concept-Maps neues, zusätzliches Wissen zu einem Lerngegenstand, zu einem Thema, zu Begriffen, Konzepten oder zu Prinzipien oder sie erklären sich unter Verwendung des vorhandenen Informationsstandes selbst den Lerngegenstand.

Werden hierbei zusätzlich auch noch die Sichtweisen und Beiträge anderer integriert, handelt es sich um interaktive Lernaktivitäten. In einem (Peer-) Diskurs oder durch (Peer-) Feedback werden dabei z. B. Argumente oder Vorstellungen in die eigenen Sichtweisen und Erkenntnisse integriert und auf Basis dieser Informationen werden die konstruktiven Erarbeitungen noch einmal überprüft, ergänzt und gegebenenfalls neu überarbeitet. Dadurch können individuelle Wissenslücken geschlossen und vertiefte kognitive Lernprozesse initiiert werden (Chi, 2009; Chi & Wylie, 2014; Kollar & Fischer, 2019, Franke, Rogowsky & Wittmann, 2019).

Obwohl die Stufen des ICAP-Modells auf komplexe Weise miteinander interagieren, baut nicht jede höhere zwingend auf der darunterliegenden als ihre Voraussetzung auf. Die Frage ist vielmehr, wie ein guter Mix der vier Stufen aussehen kann und inwiefern dabei das Lernen sinnvoll medial unterstützt und angereichert werden kann.

 

Der Orientierungsplan KLARA

Zur Planung und Gestaltung des Unterrichtsverlaufs sind die Musterstunden in fünf Unterrichtsphasen, sogenannte Lernsäulen, eingeteilt. Diese sind: „aktivieren“, „informieren“, „ordnen“, „verarbeiten“ und „präsentieren/reflektieren“ (in Anlehnung an Orientierungsplan KLARA nach Rogowsky, 2018; Leisen, 2014; Leuders & Prediger, 2012; Städeli, Grassi, Rhiner & Obrist, 2010).

Aufbau der Musterstunden

 

In jeder der Verlaufsphasen des Unterrichts sind alle Qualitätsstufen – auch kombiniert – denkbar. Der sichtbare Aktivierungslevel bei den Schülerinnen und Schülern wird in der Dokumentation der illustrierenden Musterstunden jeweils mit passiven [p], aktiven [a], konstruktiven [k] oder interaktiven [i] Lernaktivitäten gekennzeichnet. Dazu werden digitale Medien/ Apps/ Tools ebenso wie analoge traditionelle Methoden benannt, durch welche die Lernaktivitäten vielfältig unterstützt und gefördert werden. Bei einer umgedrehten Vorgehensweise sollte vorab reflektiert werden, welche Qualitätsstufen beim Einsatz eines digitalen Mediums unterstützt werden können und sollen. Dabei kann ein digitales Medium auch selbst zum Lerngegenstand werden.

Neben den passiven, aktiven, konstruktiven und interaktiven Lernaktivitäten werden in den Musterstunden überdies die dazugehörigen Lehraktivitäten auf Seiten der Lehrerinnen und Lehrer ausgewiesen. Neben didaktischem Wissen benötigen Lehrkräfte für ihr unterrichtliches Handeln in medialen Lernumgebungen medienbezogene Lehrkompetenzen (Schultz-Pernice et al., 2017, S.5). Derzeit werden hierfür in verschiedenen Fortbildungsformaten und Veranstaltungen Informationen und Trainings angeboten (zu den Fortbildungsangeboten siehe z. B. „Fortbildungsoffensive Bayern“).

Bei der Planung und Gestaltung von Unterricht ist auf Makroebene zum einen generell eine häufig mehrere Stunden umfassende didaktische Konzeption der Unterrichtsmethode festzulegen, wie beispielsweise die direkte Instruktion oder das problemorientierte Lernen. Je weniger lehrerzentriert die Lernumgebung gestaltet wird, desto offener wird im Unterricht – am besten nach Anleitung - selbstreguliertes Lernen gefördert und gefordert. Darauf abgestimmt werden auf der Mikroebene bestimmte Lehrtechniken gewählt, durch welche die Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit dem Lernmaterial gesteuert und unterstützt wird. Unterschieden werden dabei: Techniken zur Überwachung von Lernprozessen (prozessbegleitende Diagnostik, z. B. Klassenführung), Techniken zur Herstellung von Lernbereitschaft (z. B. Quiz zur Aktivierung von Vorwissen), Techniken zur Präsentation und Demonstration von Lehrinhalten (z. B. Advance Organizer), Techniken zur Unterstützung von Schülerarbeitsphasen (Scaffolding, z. B. Gruppenpuzzle) oder Techniken zum Geben von lernförderlichem Feedback (z. B. individuelle Feedback-Kommentare in Mebis) (nach Kollar & Fischer, 2019).

Auf Basis dieser Vorüberlegungen werden die inhalts- und prozessbezogenen Lehr-Lerntätigkeiten in den Musterstunden mit Operatoren abgebildet. Beispielsweise kann bei passiven Lernaktivitäten die Lehrkraft bestimmte Lerninhalte „medial aufbereiten“ oder „erklären“, die SuS „machen sich die Lerninhalte bewusst“. Bei aktiven Lernaktivitäten formuliert die Lehrkraft etwa eine Leitfrage, zu welcher SuS erste Informationen „sammeln“ oder „recherchieren“. Bei konstruktiven und interaktiven Lernaktivitäten erstellen SuS zum Beispiel (digitale) Lernprodukte, wobei die Lehrkraft „begleitet“ und zuletzt bei den Präsentationen „moderiert“.

Je nach Fach sind zu den illustrierenden Musterstunden in einem Strukturkopf zusätzlich Informationen zur Jahrgangsstufe, zum Lehrplanbezug, zu den zu erwartenden Kompetenzen wie auch Angaben zur durchschnittlichen Dauer und zu den benötigten Materialen, Apps etc. angegeben. Zuletzt gibt es für Lehrkräfte zur Reflexion eine kurze Einschätzmöglichkeit zur Umsetzung der Stunde.

Wenn Sie persönlich Kontakt aufnehmen wollen oder selbst eine mediengestützte Unterrichtseinheit zur Verfügung stellen wollen, erreichen Sie die verantwortlichen Berater digitale Bildung unter:

Frederik Wittmann, mBdB Oberbayern-Ost
mbdb@mbobo.de

Martin Loder, mBdB Oberbayern-West
mbdb@mbobw.de

 

 

Download Sammlung ICAP-Musterstunden



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