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Holocaust-Überlebender zum Zeitzeugengespräch an der Realschule Ebermannstadt

Nur wenige können noch berichten, was sich wirklich in Konzentrationslagern während der Zeit des Nationalsozialismus zugetragen hat. Einer von ihnen ist der 87-jährige Naftali Fürst, der eigens aus Israel nach Ebermannstadt angereist war, um seine Erinnerungen in einem Zeitzeugengespräch preiszugeben. Der Holocaust-Überlebende sprach in der vollbesetzten Realschul-Turnhalle vor Schülern, Mitgliedern der Schulgemeinschaft und zahlreichen geladenen Ehrengästen, darunter Landrat Hermann Ulm und die Ebermannstädter Bürgermeisterin Christiane Meyer.

Der ursprünglich aus der Tschechoslowakei stammende Naftali Fürst gehörte einer gut situierten, jüdischen Familie an. Im Alter von sechs Jahren nahm Fürsts unbeschwerte Kindheit durch die zunehmende Ausgrenzung von Juden ein jähes Ende. Nach einer Zeit im Arbeitslager wurde die Familie schließlich getrennt, Naftali und sein ein Jahr älterer Bruder Shmuel kamen nach Birkenau und schließlich nach Ausschwitz. In offenen, schneebedeckten Kohlewägen folgte im Januar 1945 die Deportation der Fürst-Brüder in das KZ Buchenwald bei Weimar. Die Befreiung Buchenwalds am 11. April 1945 betrachtet er im Rückblick „als seinen zweiten Geburtstag“, so der Zeitzeuge im Gespräch mit den Schülern. Letztlich hat es 60 Jahre gedauert, bis Naftali Fürst nach seiner Emigration nach Israel, wieder deutschen Boden betreten hat, um in seiner deutschen Muttersprache über die NS-Gräueltaten zu berichten.

Schon Wochen vor dem Treffen hatten Schüler und Lehrer der Realschule mit akribischen Vorbereitungsarbeiten begonnen. Fächerübergreifend entstanden im Geschichts-, Religions- und Kunstunterricht 3D-Plakate, die die Geschichte der Familie Fürst und den historischen Hintergrund ihrer Biografie zeigen. Diese Kollagen boten Besuchern der Veranstaltung reichlich Hintergrundinformationen und belegen eindrücklich, wie intensiv sich die insgesamt 220 Neunt- und Zehntklässler in das Thema eingearbeitet haben. Grundlage der Vorbereitung bildete dabei die Lektüre des Buches der beiden Fürst-Brüder, das den Titel „Wie Kohlestücke in den Flammen des Schreckens“ trägt. Darin schrieben die Gebrüder gemeinsam ihre prägenden Erlebnisse aus der NS-Zeit nieder. Zusätzlich haben die mitwirkenden Klassen schon vorab Interviewfragen erarbeitet, die an Herrn Fürst gerichtet waren.

Die Begegnung mit Fürst und dessen Partnerin Tova Wagman Siegel war durchwegs von vielen Emotionen begleitet. Nach einer freundlichen Begrüßung durch Schulleiter Harald Pitter und offenherzigen Worten des Schülersprechers Leonard Kruppa sang die Musiklehrerin Katharina Stamp gemeinsam mit Neuntklässlern „Hatikwah“, die israelische Nationalhymne. Auftakt des Zeitzeugengesprächs bildeten Ausschnitte aus dem Film „Kinderblock 66“, in dem der geladene Zeitzeuge selbst als ein Protagonist mitwirkte. Mit Betroffenheit verfolgten Schüler wie Gäste die Geschichtsdokumentation, die den Lageralltag von Buchenwald schildert, insbesondere die Situation der 911 geretteten Kinder. Studienrätin (RS) Friederike Bennesch, die bereits vor Monaten den Kontakt zu dem Gast aus Haifa hergestellt hatte, moderierte die sich anschließende Fragerunde. Fürst berichtete ausführlich von schrecklichen Repressalien in Ausschwitz, wie etwa dem Hinweis an einer Wasserstelle: „Kein Trinkwasser – Typhus droht.“. Der Zeitzeuge erklärte: „Man wollte uns quälen, nach einem halben Tag habe ich als Kind das Wasser dennoch getrunken.“ Immer wieder tauchte die Frage nach der Motivation Fürsts für seine Lesereisen auf: „Was hat dazu geführt, dass sie nach langer Zeit wieder Deutsch sprechen und nach Deutschland reisen?“ Er sei einer der letzten, die den Holocaust überlebt hätten und davon noch berichten können, so der 87-Jährige. Gleichzeitig gab er allen Anwesenden einen historischen Auftrag: „Sie müssen es weitererzählen. […] Alle Probleme kann man auch ohne Krieg, mit Liebe und Freundschaft lösen.“

Am Ende der Veranstaltung hatten die Schüler Gelegenheit, sich die oben zitiere Biografie vom Autor persönlich signieren zu lassen. Ein abschließender Empfang bot Gelegenheit zu persönlichen Gesprächen und rundete das Ereignis ab.





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