Bereits zu Beginn wurde deutlich, dass das Festival nicht nur eine Bühne für kreatives Spiel, sondern auch für engagiertes Miteinander ist: Lisa Jung und Samara Röhl, zwei Schülerinnen der Staatlichen Realschule Hauzenberg, die bereits vor zwei Jahren mitgewirkt hatten, übernahmen souverän die Begrüßung des Publikums. Mit Charme und Routine führten sie in das Programm ein und schlugen dabei gekonnt die Brücke zwischen Kontinuität und Neuaufbruch – ein gelungener Auftakt, der das Gemeinschaftsgefühl unter den beteiligten Schulen spürbar machte.
Ein nachdenklich stimmender und zugleich zukunftsgewandter Akzent wurde durch Bürgermeister Werner Schäfer gesetzt. In seiner Ansprache schlug er den Bogen vom historischen Datum des 8. Mai – dem Tag der Befreiung – zur Bedeutung von Freiheit und Demokratie in der Gegenwart. Theater an Schulen, so Schäfer, sei weit mehr als ein ästhetisches Spiel: Es schule Perspektivwechsel, Empathie und kritisches Denken – und leiste damit einen wichtigen Beitrag zur Demokratieerziehung. Die Bühne als Ort der freien Rede, des Aushandelns von Konflikten und des kreativen Ausdrucks – gerade in Zeiten globaler Herausforderungen könne dies gar nicht hoch genug geschätzt werden.
Auch Ministerialdirigentin Dr. Christine Modesto, Abteilungsleiterin Realschule im Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus, richtete in ihrer Begrüßung das Wort an das Publikum und verlieh dem Festival eine bildungspolitisch fundierte Perspektive. Schulisches Theater, so betonte sie, sei ein „pädagogisches Kraftfeld“, von dem Schülerinnen und Schüler auf vielfältige Weise profitierten: Es fördere nicht nur Kreativität und Ausdruckskraft, sondern stärke auch Empathie, soziale Verantwortung und die Fähigkeit zum Perspektivwechsel – zentrale Elemente einer ganzheitlichen und nachhaltigen Bildung. Theater mache erfahrbar, was es bedeute, Teil einer Gemeinschaft und damit Teil unserer Gesellschaft zu sein.
Zugleich würdigte Modesto die enorme Leistung der beteiligten Lehrkräfte: Das Festival sei ein sichtbares Zeichen für die Professionalisierung in der kulturellen Bildung und für Schulentwicklung im besten Sinn. Dass inzwischen über 5 000 Realschülerinnen und Realschüler bayernweit auf den „Brettern, die die Welt bedeuten“, stehen, sei Ausdruck einer gelebten Wertschätzung – nicht nur für die Kunstform Theater, sondern für das Engagement aller Beteiligten: Lehrkräfte, Schulleitungen, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern gleichermaßen.
Insgesamt waren Ausschnitte aus sieben Produktionen aus ganz Niederbayern zu sehen, dazwischen stellten die entsprechenden Schulleitungen als Moderatoren ihre Gruppen vor und setzten die dargebotenen Szenen in den Gesamtzusammenhang der Werke.
Mit einer feinsinnig inszenierten Hommage an Oscar Wildes Klassiker „Das Gespenst von Canterville“ eröffnete die Ursulinen-Realschule Straubing (Spielleitung: Eleonora Riccadona) das Theaterfestival der niederbayerischen Realschulen. In der Geschichte um das altehrwürdige Schloss, das von der Familie Otis bezogen wird, prallten Spuk und Pragmatismus aufeinander – mit viel Witz, Charme und einem Gespür für theatralische Zwischentöne. Die jungen Darstellerinnen und Darsteller überzeugten durch ihre Bühnenpräsenz, Spielfreude und den Mut, klassische Stoffe mit einem eigenen Akzent zu interpretieren. Besonders gelungen war der Einsatz von Ansagern, die in Tiergestalt das Publikum direkt ansprachen und so die vierte Wand bewusst durchbrachen – ein raffinierter Kunstgriff auf der Metaebene. Begleitet wurde das Spiel von stimmungsvoller Bühnenmusik: Gitarre und Geige untermalten eindrucksvoll die Atmosphäre zwischen Gänsehaut und feiner Ironie. Ein gelungener Auftakt, der bewies, wie lebendig und kreativ Schultheater sein kann – und dass Oscar Wilde auch im 21. Jahrhundert noch glänzend unterhält.
Ein echter Höhepunkt des Festivaltages war zweifellos die außergewöhnliche Inszenierung von „Scheherazade“ durch die Dreiflüsse-Realschule Passau. Was hier auf die Bühne gebracht wurde, sprengte nicht nur visuell die Grenzen des Schultheaters – es war ein multimediales Experiment auf höchstem technischen Niveau. Mithilfe von zwei Greenscreens, mehreren Kameras und einer Echtzeit-Projektion per Beamer erschufen die Schülerinnen und Schüler eine fantastische Bühnenwelt, wie man sie sonst nur aus professionellen Produktionen kennt. Vor den grünen Flächen agierten die Darstellerinnen und Darsteller in präzise getaktetem Zusammenspiel mit den projizierten Bildern – so entstand live ein orientalisches Märchenpanorama aus Tausendundeiner Nacht, das das Publikum staunen ließ: Ob auf dem Rücken von Kamelen oder beim Flug auf dem magischen Teppich – hier verschmolzen Theater und Projektion zu einem faszinierenden Gesamtkunstwerk.
Die Inszenierung spannte einen eleganten Bogen von der Rahmenhandlung um König Sharirar bis zu ausgewählten Erzählungen Scheherazades – klug, vielschichtig und mit technischer Raffinesse erzählt. Verantwortlich für diese Produktion war SemRin Martina Raab, Lehrkraft an der Dreiflüsse-Realschule, Fachmitarbeiterin des Ministerialbeauftragten für Darstellendes Spiel und zugleich federführende Organisatorin des Festivals, neben dem leider erkrankten SemR Michael Burkert aus Hauzenberg. Mit „Scheherazade“ beschritt sie nicht nur für ihre Schule, sondern auch für das gesamte Festival neue künstlerische Wege – ein Glanzpunkt moderner Theaterpädagogik, den auch die Vertretung des Staatsministeriums, Frau Ministerialdirigentin Dr. Christine Modesto, zu würdigen wusste.
Den weiteren Abend durchzog ein dramaturgisch ausgefeilter Spannungsbogen, den die Organisatoren des Theaterfestivals, Martina Raab von der Dreiflüsse-Realschule Passau und Michael Burkert von der Johann-Riederer-Realschule Hauzenberg, gekonnt gesetzt hatten.
Mit ihrer Eigenproduktion „Klappe – Ärger aller Art“ präsentierte die Angela-Fraundorfer-Realschule Aiterhofen (Spielleitung: Mignon Dobler) eine ebenso moderne wie nachdenklich stimmende Szenencollage. Im Zentrum stand der Ärger – in all seinen Facetten: von alltäglichen Missverständnissen über verletzende Worte und Schimpftiraden bis hin zu stillschweigendem Neid. Schwarz-weiß gekleidete Schülerinnen und Schüler ließen eine Kette von Kommunikationsbrüchen entstehen, in der sich die Ursachen für Konflikte ebenso klar wie eindrucksvoll offenbarten. Das bewusst reduzierte Bühnenbild – zwei Klappstühle, kaum Requisiten, gezielte Lichtwechsel – lenkte die Aufmerksamkeit ganz auf Mimik, Sprache und Körperausdruck. Mit präzise gesetzten Pointen wurde das Publikum zum Nachdenken, manchmal auch zum Schmunzeln gebracht: etwa beim Auftritt eines sprechenden „Pomodori“-Orakels oder beim überraschenden Bühnenbesuch von ChatGPT in Menschengestalt. Die Inszenierung überzeugte durch ihre konzentrierte Spielweise, den sparsamen Einsatz von Requisiten und die klare, rhythmische Struktur. Eine mutige und zugleich hochaktuelle Auseinandersetzung mit dem Thema zwischenmenschlicher Spannungen – klug beobachtet und stark umgesetzt.
Das Schwarzlichttheater der Jakob-Sandtner-Realschule Straubing (Spielleitung: Evelyn John) setzte mit seiner Inszenierung von „Der Zauberlehrling“ – frei nach Johann Wolfgang von Goethe – einen echten Transfer in die heutige Zeit. Mit gezielt gesetztem Licht und Schatten entfaltete sich ein faszinierendes Spiel aus Farben und Formen, das die klassische Erzählung in völlig neuem Licht erscheinen ließ. Die modernen Beats und die kreative Lichttechnik verwandelten das alte Gedicht in eine zeitgenössische Fassung, die den Zauberlehrling nicht nur als literarische Figur, sondern auch als Symbol für den modernen Umgang mit Technik und Macht verstand. Die Bühnenbildgestaltung, die in dieser Art der Inszenierung so zentral ist, ließ den Zauberlehrling in einer Welt zwischen Realität und Magie agieren. Der Transfer in die heutige Zeit wurde durch gezielte Anspielungen auf digitale Medien und eine zunehmend technisierte Welt gelungen umgesetzt. Das Stück strahlte dabei nicht nur ästhetische Faszination aus, sondern forderte die Zuschauer auch auf, über die modernen Parallelen zu Goethes Werk nachzudenken.
In Gabriele Sebas kriminalkomödiantischem Theaterstück „Das Kartenhaus – ein Imbiss-Fiasko“ servierte die Conrad-Graf-Preysing-Realschule Plattling (unter der Spielleiterin Susanne Meier) eine temporeiche, herrlich chaotische Kriminalgeschichte rund um Imbissbude, Identitäten und einen verschwundenen Schmuck. Im Zentrum stand Else, resolute Inhaberin eines kleinen Imbissstands – und ganz klar: die Mutter der Kompanie. Mit viel Herz, Humor und einem scharfen Blick fürs Menschliche sorgte sie nicht nur für Würstchen und Pommes, sondern übernahm auch gleich die Rolle der Seelenklempnerin für ihre bunt zusammengewürfelte Kundschaft. Als wertvoller Schmuck verschwand, gerieten alle ins Schwitzen – Verdächtigungen, skurrile Geständnisse und jede Menge Durcheinander machten die kleine Bude zum Schauplatz eines echten Bühnenkrimis. Besonders auffällig: eine höchst eigenwillige Lehrerin mit dubioser Vergangenheit, die sich als dann eigentlicher Dieb entpuppte. Trotz aller Verwicklungen hielt Else den Laden (und die Nerven) zusammen – bis zum finalen Twist, in dem sie mit trockenem Humor und gewohnter Bodenständigkeit das Chaos kommentierte: „Dann ess’ ich eben ’ne Wurst!“ Ein vergnügliches Spiel mit Tempo, Witz und starker Präsenz der Darstellenden – allen voran einer großartigen Else.
Eine Szenencollage der besonderen Art präsentierten die Schülerinnen der Erzbischöflichen Ursulinen-Realschule Landshut – ein Fest der Sprache, ein Feuerwerk der Fantasie. Das Besondere: Jede Szene war einem Buchstaben gewidmet, jedes Wort begann mit demselben Anfangsbuchstaben – durchgehende Alliterationen als künstlerisches Prinzip. Was zunächst nach Zungenbrecher klingt, entpuppte sich auf der Bühne als spritzig inszeniertes Sprachspiel: Von einem bizarren Überfall bis zur absurden Auseinandersetzung über Arbeiterkosteneinsparung – das Ensemble zeigte, wie vielseitig und unterhaltsam Buchstabenkunst sein kann. Ein besonderes Highlight: Die Szene rund um das Ziehen der Rübe. Erst durch die vereinte Kraft von Katze, Hund und Maus gelingt es, das widerspenstige Wurzelgemüse zu befreien – ein Klassiker neu gedacht, voller Charme und sprachlicher Raffinesse. Genial gespielt, rhythmisch pointiert und mit viel Spielfreude umgesetzt: ein ganz eigener Theatermoment, der zeigt, wie kreativ Sprache sein kann (Spielleitung Veronika Streic).
Mit einem eindrucksvollen Bewegungstheater wagte sich die Staatliche Realschule Pfarrkirchen unter der Leitung von Carolin Stadler an ein ernstes, tiefgründiges Thema: Ängste, Zweifel und die innere Zerrissenheit Jugendlicher standen im Mittelpunkt einer wortlosen, dafür umso ausdrucksstärkeren Inszenierung. Zwei Morphfiguren – eine in schwarz, eine in grün – symbolisierten die Gegensätze, die viele junge Menschen in sich tragen: Dunkelheit, Druck und Unsicherheit auf der einen Seite, Hoffnung, Mut und Zuversicht auf der anderen. Begleitet von intensiver Musik, entwickelten sich die Szenen zu einem starken Ausdruck innerer Konflikte, dargestellt allein durch Körper, Raum und Bewegung. Trotz bedrückender und geradezu beklemmender Momente fand das Stück eine hoffnungsvolle Wende – choreografisch eindrucksvoll gestaltet von einer Schülerin aus der 10. Klasse, die den kraftvollen Schlusstanz selbst entworfen und mit der Gruppe erarbeitet hatte. Der letzte Satz, in den Raum gesetzt nach Minuten voller Spannung, blieb hängen: „Meine Hoffnung klaut mir niemand. Ich bin ja nicht allein!“ Ein leiser, starker Schlusspunkt – und ein großes Kompliment an eine mutige Theatergruppe.
Am Ende des gelungenen Theaterfestivals ehrte Ministerialbeauftragter Manfred Brodschelm die beteiligten Theatergruppen mit warmen Worten und sichtlicher Anerkennung: eine großartige Leistung, die zeige, wie sehr Theater zum Spiegel unserer Gesellschaft werden kann – mit einem typisch niederbayerischen Augenzwinkern. Brodschelm betonte den Wert des Theaters als Raum echter Begegnung, in dem Schülerinnen und Schüler sich selbst, einander und der Welt auf neue Weise begegnen. Sein Dank galt nicht nur den Darstellerinnen und Darstellern, deren Eltern sowie den engagierten Spielleitungen, den Verantwortlichen im Hintergrund, sondern auch der Athanor-Akademie Passau, einer renommierten Ausbildungsstätte für Schauspiel, Regie und Theaterpädagogik, die am Festival mit den Gruppen gearbeitet und wertvolle Impulse gegeben hatte. Gemeinsam mit Ministerialdirigentin Dr. Modesto wurden alle Mitwirkenden gewürdigt – ein starkes Zeichen für den hohen Stellenwert musischer Bildung an den bayerischen Realschulen. Dann hieß es langsam Abschied nehmen – und wie es am Ende des Stücks „A und O und alle anderen“ der Ursulinen so treffend hieß: „Zu Ende.“ Zeit, nach Hause zu gehen – erfüllt, bewegt und mit einem Kopf voller Bilder.
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