3.6.1 Inhalte des Gutachtens

Bei der Erstellung des Gutachtens ist von den Anforderungen auszugehen, die sich aus den in der Bayerischen Verfassung verankerten Bildungszielen und den im BayEUG festgelegten Aufgaben der Schulen für den Beruf des/der Lehrers/in ergeben.

Mit Recht erwartet man von der Lehrkraft, dass sie nicht nur Wissen vermittelt, sondern sich mit dem Einsatz der ganzen Person der charakterlichen Erziehung und Förderung der ihr anvertrauten Schüler annimmt. Die Erfüllung des gesetzlichen Erziehungsauftrags erfordert, dass der/die Lehrer/in sich den für die Schulen verbindlichen Werten und den auf sie bezogenen Haltungen auch persönlich verpflichtet fühlt. Nur so wird es ihm/ihr gelingen, den Schülern Orientierung für das Leben zu geben und ihnen soziale Tugenden zu vermitteln. Bildungsziele wie Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen, Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung sind Grundlagen unseres Zusammenlebens, zu denen die Schule hinführen muss. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten der Schüler ist dabei unerlässlich.

Ein Berufsethos, das ausgerichtet ist auf die Werteordnung der Verfassung, ist eine unverzichtbare Voraussetzung für die Eignung zum Lehrerberuf und für erzieherischen Erfolg. Es gehört daher zu den zentralen Inhalten der Seminarausbildung, die Studienreferendare und Studienreferendarinnen mit ihrer erzieherischen Aufgabe vertraut zu machen und ihre Bereitschaft zu erzieherischem Wirken zu wecken. Die Förderung einer positiven Berufseinstellung ist ein wesentliches Ziel der Beobachtung und Betreuung während der Ausbildung an der Seminarschule wie auch an der Einsatzschule. Dabei tragen nicht nur die Seminarlehrkräfte Verantwortung, sondern alle an der Ausbildung beteiligten Lehrerinnen und Lehrer.

Aus den obigen Ausführungen folgt, dass sich das Gutachten über die Studienreferendare nicht auf die fachlichen Fragen des Unterrichts beschränken kann. Vielmehr muss es auch erkennen lassen, ob sich der/die Studienreferendar/in im Vorbereitungsdienst als Erzieher/in bewährt hat und die Anforderungen seines/ihres Berufs charakterlich erfüllt; es muss Feststellungen darüber enthalten, ob ein/e Studienreferendar/in willens und in der Lage ist,

  • den gesetzlichen Erziehungsauftrag zu erfüllen,

  • sich mit voller Hingabe dem Lehrer- und Erzieherberuf zu widmen,

  • an der Verantwortung für die ganze Schule mitzutragen,

  • mit allen Beteiligten, insbesondere auch den Erziehungsberechtigten, vertrauensvoll zusammenzuarbeiten und

  • durch das Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die der Beruf erfordert.


Diese allgemeinen Gesichtspunkte erstrecken sich auf alle drei Merkmale, die gemäß §§ 22, 22a und 22b LPOII im Gutachten bewertet werden.

Die folgende Zusammenstellung von Kriterien für das Gutachten über die Studienreferendare und Studienreferendarinnen ist bewusst ausführlich gehalten.

Sie soll einerseits dem/der Beurteilenden für ein möglichst umfassendes Gutachten über den/die Studienreferendar/in hinreichend differenzierte Gesichtspunkte an die Hand geben, andererseits aber auch den/die Stu­dienreferendar/in ausreichend über die Grundlagen des Gutachtens informieren.

Bei angemessener Beachtung ermöglichen die aufgeführten Gesichtspunkte im Zusammenhang mit den oben genannten allgemeinen Anforderungen ein dem tatsächlichen Ausbildungsstand entsprechendes Gutachten, die auf Grund konkreter Beobachtungen zu einer objektiven, gerechten und auch überprüfbaren Leistungsfeststellung führt.

Selbstverständlich kann und wird nicht jedes Gutachten auf alle Aspekte eingehen, sondern nur jeweils auf die, zu denen wesentliche und kennzeichnende Beobachtungen vorliegen. Die Einzelbeobachtungen müssen kritisch gewertet und nach ihrer Bedeutung eingeordnet werden. Zu bedenken ist ferner, dass die einzelnen Aspekte nicht gleich gewichtig sind und nicht immer streng voneinander getrennt werden können.

Nach §§ 22, 22a und 22b LPOII ist eine Note jeweils für die Merkmale „Unterrichtskompetenz“, „Erzieherische Kompetenz“ sowie „Handlungs- und Sachkompetenz“ festzusetzen.

3.6.1.1 Unterrichtskompetenz

Die Unterrichtskompetenz des Referendars oder der Referendarin wird von Beginn der Ausbildung an von den Beurteilenden beobachtet. Die Anforderungen sind naturgemäß am Anfang der Ausbildung geringer und erhöhen sich in dem Maße, in dem diese voranschreitet. Grundlagen der Beobachtungen und der Bewertungen sind die Lehrversuche und der zusammenhängende bzw. eigenverantwortliche Unterricht, nicht aber die Prüfungslehrproben, die gemäß § 21 LPO II gesondert zu bewerten sind.

  • Didaktische und methodische Planung und Vorbereitung des Unterrichts
    > lehrplangemäße Planung des Unterrichts über einen längeren Zeitraum (im zusammenhängenden und eigenverantwortlichen Unterricht)
    > sorgfältige Vorbereitung der Einzelstunden
    > Fähigkeit, die wissenschaftlich-theoretischen Inhalte der jeweiligen Fächer in einer der Altersstufe und der Aufnahmefähigkeit der Schüler entsprechenden Weise in die Unterrichtspraxis umzusetzen
    > Berücksichtigung der besonderen Situation der Klasse
    > Fähigkeit, die Schüler zum Lernen zu motivieren
    > Setzen von Schwerpunkten
    > sach- und situationsgerechte Wahl der Unterrichtsverfahren
    > Ökonomie des Unterrichts (etwa: Zeiteinteilung, Verteilung der Übungen auf schulische und häusliche Arbeit)
    > Auswahl und Bereitstellung der Unterrichtsmittel
    > ggf. Planung und Vorbereitung der Unterrichtsexperimente
    > langfristige Sicherung der Unterrichtsergebnisse

  • Durchführung des Unterrichts
    > Grad des Erreichens der Unterrichtsziele
    > Zielstrebigkeit in der Durchführung des Unterrichts
    > Verwirklichung der Planung bei Flexibilität der Durchführung
    > Improvisationsgeschick
    > Übersichtlichkeit des Stundenverlaufs
    > Erklärungs-, Darstellungs- und Demonstrationstechnik
    > sachgerechter und zweckdienlicher Einsatz von Lernhilfen und Medien
    > Angemessenheit der verwendeten Sprache (etwa Treffsicherheit in der Wahl des Ausdrucks, Klarheit der Begriffe und der Gedankenentwicklung, Angemessenheit von Sprachtempo und Lautstärke, Artikulation, Intonation, Modulation und sprachliches Niveau)
    > Technik der Gesprächsführung (insbesondere Fragetechnik, Art des Eingehens auf Fragen und Beiträge der Schüler)
    > Fähigkeit, die Schüler zu aktivieren und möglichst alle zu beteiligen
    > Art der Berichtigung von Schülerfehlern
    > Führungsstil im Unterricht
    > Überblick über die Klasse
    > Sicherheit und Angemessenheit des Auftretens in der Klasse

  • Feststellung des Lernfortschritts, der Leistungserhebung und Leistungsbewertung
    > Feststellung des Lernfortschritts einzelner Schüler bzw. der Klasse
    > Art der Stellung und Überprüfung der Hausaufgaben
    > sachgemäße und fördernde Überprüfung der Arbeitshefte und -mappen der Schüler
    > Erstellung von Schulaufgaben, Kurzarbeiten und Stegreifaufgaben: Angemessenheit, Schwierigkeitsgrad, Umfang und Lehrplanbezug, Eindeutigkeit und Klarheit der Aufgabenstellung
    > Durchführung von Leistungserhebungen
    > Korrekturarbeit: Sicherheit und Zuverlässigkeit, äußere Form, Einhaltung von Terminen
    > Bewertung mündlicher und schriftlicher Schülerleistungen: Angemessenheit, Bildung der Gesamtnote, Transparenz der Notengebung
    > Konsequenzen aus der Leistungserhebung für den eigenen Unterricht

  • Reflexion der Planung und Durchführung sowie der Ergebnisse des eigenen Unterrichts

  • Gestaltung der Beratung
    Bei den Fächerverbindungen mit Psychologie umfasst das Merkmal „Unterrichtliche Kompetenz" außerdem die „Gestaltung der Beratung".

3.6.1.2 Erzieherische Kompetenz

Bei der Begutachtung der erzieherischen Kompetenz werden unterrichtliche und außerunterrichtliche Beobachtungen aus allen Teilen der Ausbildungszeit zu Grunde gelegt.

  • Umgang mit Schülern
    > Kontaktfähigkeit
    > Fähigkeit, die Klasse und den einzelnen Schüler anzusprechen (Voraussetzungen: Freundlichkeit, Humor, Ausgeglichenheit, Geduld, Toleranz, Einfühlungsvermögen, Angemessenheit der Ausdrucksweise)
    > Aufgeschlossenheit für den einzelnen Schüler
    > Bemühung und Fähigkeit, auf die persönlichen und fachlichen Probleme der einzelnen Schüler aus den verschiedenen Altersstufen einzugehen
    > Bemühung und Fähigkeit, das Vertrauen der Schüler zu wecken,  Aussprechen von Anerkennung und Kritik
    > Streben nach Gerechtigkeit und Unparteilichkeit
    > Geschick, eine Klasse zu führen und zu betreuen
    > Bereitschaft, sich auch über den Unterricht hinaus zu engagieren (etwa: Pausengestaltung, Schulveranstaltungen, Arbeitsgemeinschaften, Wanderungen und Fahrten)
    > Bereitschaft und Fähigkeit, soziales Verhalten (Kooperationsbereitschaft, Toleranz u. a.) innerhalb der Klasse zu wecken und zu fördern
    > Bereitschaft und Fähigkeit, die Bildung der Klassengemeinschaft zu fördern
    > Fähigkeit, den Schülern den Sinn von unterrichtlichen und erzieherischen Maßnahmen deutlich zu machen
    > angemessener Umgang mit leistungsschwächeren, erziehungsschwierigen oder kontaktarmen Schülern
    > Bemühung um die charakterliche Entwicklung der Schüler (Wertevermittlung, Kooperation in Erziehungsfragen mit Kolleginnen und Kollegen)
    > Konsequente Umsetzung der Erziehungsziele

  • Sicherung der notwendigen Ordnung
    > Fähigkeit, einen geordneten Unterricht zu sichern
    > Geschick bei der Behebung von Konfliktsituationen
    > sinnvoller Einsatz von Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen
    > Kontrolle der eigenen Reaktion
    > angemessenes Verhalten in schwierigen pädagogischen Situationen

  • Schülerbeobachtung und Beratung von Schülern und Eltern
    > Fähigkeit, wesentliche Grundzüge der Persönlichkeit eines Schülers bzw. der Struktur von Klassen zu erkennen
    > Fähigkeit, auf der Grundlage der gemachten Beobachtungen und der gegebenen Möglichkeiten Schüler und Eltern zu beraten

3.6.1.3 Handlungs- und Sachkompetenz

Zur Handlungs- und Sachkompetenz gehören sowohl fachspezifische als auch allgemeine, die dienstliche Verwendbarkeit beeinflussende Fähigkeiten und Verhaltensweisen:

> Beschäftigung mit Entwicklungen im fachwissenschaftlichen, didaktischen, methodischen und pädagogisch-psychologischen Bereich
> Einbringen eigener Begabung und Kreativität
> Anwendung schulorganisatorischen und schulrechtlichen Wissens
> Realistische Wahrnehmung eigener Stärken und Schwächen
> Erkennbare Bemühungen, auf Anregungen einzugehen und Defizite zu beheben
> Bereitschaft und Fähigkeit zu stetigem Lernen
> Erweiterung der Kenntnisse und Fertigkeiten in ausbildungsbezogenen Lehrgängen
> Mitarbeit bei Seminarsitzungen und anderen schulischen Veranstaltungen
> Erledigung dienstlicher Aufgaben mit Sorgfalt, Zuverlässigkeit, Einsatzbereitschaft, Eigeninitiative, Verantwortungsbewusstsein und in selbstständiger Arbeitsweise
> Mitwirkung bei Prozessen der inneren Schulentwicklung
> Kommunikationsfähigkeit und Zusammenarbeit innerhalb des Seminars und der Schule sowie in außerschulischen Bereichen
> Konstruktiver, lösungsorientierter Umgang mit Konflikten und Problemen
> Situationsangemessenes und adressatenorientiertes Verhalten
> Werteförderndes Arbeiten
> Pünktlichkeit und zuverlässige Einhaltung von Terminen
> Sorgfalt im Umgang mit den anvertrauten Geräten, Büchern, Medien usw.
> Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen



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