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Tussis, Wörterfabriken und ein Gurkenkönig

Realschüler Niederbayern präsentierten breites Spektrum der Theaterwelt

„Wir produzieren Wörter“, mehr noch Poesie und Nachdenklichkeit über den Wert von Sprache und ihrer Macht, aber auch ihre Abhängigkeit von ökonomischen Mitteln. Nach Agnés de Lestrades bekanntem Bilderbuch „Die große Wörterfabrik“ zeigte die Theatergruppe der Johann-Simon-Mayr-Realschule, dass moderne Inszenierungsstile in der Realschule angekommen sind. Mit Chorsprechen, rhythmisierten Bewegungen, Pantomime, Licht- und Projektionseffekten überraschte dieses Theaterteam mit einer spannenden und berührenden Inszenierung.

Insgesamt waren Ausschnitte aus sechs Produktionen aus ganz Niederbayern zu sehen, dazwischen Videoimpressionen von den Theaterworkshops der Passauer Theater- und Filmakademie Athanor und die entsprechenden Schulleiter als Moderatoren.

Bernd Aschenbrenner, Ministerialrat für die Realschulen in Niederbayern, begrüßte die Gäste, darunter Gabriele Waindinger, die Bezirksvorsitzende des Elternverbandes der Realschulen, und freute sich über das 15. Theaterfestival der Realschulen, das nun schon zum zweiten Mal im Passauer Stadttheater stattfinden konnte. Oberbürgermeister Jürgen Dupper hieß die Schüler herzlich willkommen, lobte die besondere Atmosphäre des Hauses und die gute Kooperation des Zweckverbandes, wodurch dieses Theater mit seinem großen Angebot erst möglich ist. Sichtlich vergnügt, humorvoll eloquent lobte Ministerialrat Konrad Huber als Vertreter des Kultusministeriums das Engagement der Theatergruppen und ihrer engagierten Lehrer, die sich für das Schultheater weit über die normale Arbeitszeit hinaus einsetzen und junge Menschen durch das Theaterspiel fördern. 6000 Realschüler sind in Bayern in diesem Bereich kreativ und beweisen, dass „doch nicht alle Jugendliche nur am Handy daddeln“. Charmant und die Schüler wertschätzend zog Konrad Huber Parallelen zur Münchner Oper, neugierig auf das, was es hier zu sehen geben würde.

Die Organisatoren Martina Raab von der Dreiflüsse-Realschule Passau und Michael Burkert von der Johann-Riederer-Realschule Hauzenberg sorgten auch bei diesem Theaterfestival für eine dramaturgisch kluge Programmfolge. Mit Paul Maars „Lippels Traum“ unter Leitung von Dagmar Saurats von der Staatlichen Realschule Pfarrkirchen wurde sofort deutlich, dass moderne Spielweise im Vordergrund steht. Durch reduziert flexible Kulissen und wenige Kostümdetails wurden die Verschiebung von Traumwelten und Realität sichtbar.

Elvira Halwax von der Ursulinen-Realschule Landshut präsentierte mit ihrer Theatergruppe die spritzig überdrehte Märchensatire „Rotschühchen“ von Christine Manami Münster-Domke, in der von der verwöhnten Teeny-Tussi bis zum Omi-Jugendwahn, eingebettet in „Tatort“-Milieu kein Klischee fehlte. Mit Spielfreude und karikierendes Ausdrucksvermögen begeisterte die Gruppe das Publikum.

Satirisch, aber traditionell als Tischrunde angelegt, wagte sich Evelyn Johns Theatergruppe von der Jakob-Sandtner-Realschule Straubing an Bernhard Wiemkers Molière-Variante „Der ausgebildete Kranke“, wobei der Situation einer Jungenschule geschuldet, das Hausmädchen Barbara von einem Jungen gespielt der Inszenierung eine zusätzliche komödiantische Note gab.

Nach der Pause eroberte die Theatergruppe von Barbara Götz und Susanne Engl mit der „Großen Wörterfabrik“ das Publikum. Fast ohne Worte entwickelte sich hier durch Bewegung, Musik, Licht ein intensives Spiel mit berührender Emotionalität. Nur wenige Wörter konnte der arme Junge im Müll der Reichen sammeln. Er hebt sie auf für das besondere Ereignis und ein Wort ganz speziell. „Nochmal“ soll ihn das Mädchen, das er liebt, umarmen. Das Publikum applaudierte begeistert über die einzelnen Fanclubs hinweg.

Genauso stilsicher präsentierte Martina Raab mit ihrer Theatergruppe das Schattenspiel nach der Ouvertüre von Alexander Blechingers Oper „Max und Moritz“. Vor den farbigen Bühnenbildern nostalgischer Zeiten entwickelte sich zur stummfilmartigen Musik ein bizarres Spiel von Kameradschaft und Streit, Idylle und schauriger Moritat, wenn Köpfe plötzlich mit der Schere abgeschnitten werden. Das ist schon professionelles Jugendtheater mit filmischen Qualitäten.

Für einen knallbunten Abschluss sorgte die Theatergruppe der Angela-Fraunhofer-Realschule Aiterhofen unter der Leitung von Mignon Dobler mit einem Ausschnitt aus Christine Nöstlingers Klassiker „Wir pfeifen auf den Gurkenkönig“. Der assoziative Umgang mit Raum, witzige Kostüme, vor allem die schillernde Optik und das launische Wesen des Gurkenkönigs setzten einen originellen Schlusspunkt.

Michaela Schabel





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